AG Kassel: Keine Extrakosten für Rechnung in Papierform, wenn Leistung auch körperlich (nicht-elektronisch) erbracht wird

veröffentlicht am 22. Juni 2015

AG Kassel, Urteil vom 04.03.2015, Az. 435 C 4822/14
§ 307 Abs. 1 BGB,
§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

Lesen Sie unsere Zusammenfassung der Entscheidung (hier) oder lesen Sie im Folgenden den Volltext der Entscheidung über Extrakosten für Rechnungen in Papierform:

Amtsgericht Kassel

Urteil

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts … vom 08.10.2014 – … – wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte zur Zahlung von 155,09 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.09.2014 sowie weiteren 24,40 EUR verurteilt ist. Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Vorab fallen dem Beklagten die Säumniskosten zur Last. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte 69 % und die Klägerin 31 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung wird gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Nach dem als zugestanden anzusehenden Sachverhalt ist die Klage aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Telekommunikationsdienstleistungsvertrages überwiegend begründet.

Unschlüssig ist die Klage indes, soweit die Klägerin Kosten für Überweisungen und Rechnungen in Papierform von insgesamt 17,00 EUR brutto begehrt (in drei Rechnungen jeweils 3,3613 EUR netto und in zwei weiteren Rechnungen jeweils 2,1008 EUR netto zuzügl. 19 % USt).

Die Kosten für die Übersendung einer Rechnung in Papierform können nicht verlangt werden, wenn – wie hier – der Vertrieb der Dienstleistung nicht ausschließlich über elektronische Medien erfolgt. Dann sind entsprechende AGB-Klauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BGH MDR 2014, 1375).

Kosten für Überweisungen können bereits deswegen nicht verlangt werden, weil solche bereits nach dem Klagevorbringen gar nicht angefallen sein können, da der Beklagte ja gerade keine Zahlungen erbracht hat. Somit bedarf es keiner Entscheidung, ob die entsprechende Klausel in der Preisliste der Klägerin nicht ebenfalls gegen AGB-Recht verstößt. Letzteres liegt nahe, weil es sich bei der Überweisung nach wie vor um einen gängigen Zahlungsweg handelt, so dass insoweit eine unangemessene Benachteiligung vorliegen dürfte, § 307 Abs. 1 BGB. Eine Pflicht zur Erteilung von Einziehungsermächtigungen kann weder aus Treu und Glauben noch aus gesetzlichen Regelungen abgeleitet werden.

Der Beklagte ist dem Klagevorbringen im Übrigen nicht entgegengetreten, auch nicht innerhalb der verlängerten Klageerwiderungsfrist.

Der Zinsanspruch ist gem. §§ 280, 286, 288 BGB begründet.

Für die vorgetragenen Mahnschreiben können weitere 5,00 EUR als Verzugsschadensersatz verlangt werden, §§ 286 BGB, 287 ZPO, entsprechend die Auskunftskosten in Höhe von 1,40 EUR.

Inkassokosten, die nach Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes entstanden sind, können als Verzugsschadensersatz gegenüber der beklagten Partei im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur in Höhe der Kosten beansprucht werden, die bei vorgerichtlicher Beauftragung eines Rechtsanwalts angefallen wären. Zugrunde zu legen ist für die Berechnung eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2302 VV RVG, denn die durch Schuldnerverzug veranlasste zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entfaltete Tätigkeit des Inkassobüros ist auf Tätigkeiten gerichtet, die in diesem Gebührentatbestand beschrieben sind, nämlich auf Mahnschreiben einfacher Art, d. h. Schreiben ohne schwierige rechtliche Ausführungen und ohne größere sachliche Auseinandersetzungen. Höherwertige Tätigkeiten, die gem. Nr. 2300 VV RVG abgerechnet werden könnten, sind nicht dargelegt.

Bei dem gegebenen Streitwert beträgt die nach Aktenlage demnach erstattungsfähige, auf die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG nicht anzurechnende Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG (vgl. LG Kassel 1 S 104/09) nebst ungekürzter Auslagen 18,00 € netto. In Höhe des darüber hinaus geforderten weiteren Betrages von 22,05 EUR war deswegen der Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Soweit die Klage im Übrigen teilweise zurückgenommen worden ist, hat die Teilaufhebung des Vollstreckungsbescheides und Klageabweisung lediglich klarstellenden Charakter.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 223,84 EUR festgesetzt.